Pressemitteilung
24.03.2022
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. fordert einen so genannten Vorgriffserlass auf Regelungen, die der Koalitionsvertrag des Bundes vorsieht.
Das Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung möge die Ausländerbehörden darauf hinweisen, dass sowohl im Interesse der Unternehmen, bei denen Geduldete beschäftigt seien, als auch zur Minimierung des Behördenaufwands keine Einwände gegen das Zurückpriorisieren aufenthaltsbeendender Maßnahmen erheben würden.
Das im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geplante ,,Chancen-Aufenthaltsrecht‘‘ soll Menschen eine Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht geben. So sollen „Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, […] eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG)“. Das entsprechende Gesetz soll „im Laufe des Jahres“ kommen.
Solange dazu aber keine Gesetzesänderung beschlossen wurde, gilt rechtlich alles wie gehabt und Geduldete bleiben ausreisepflichtig und werden auch, wenn es möglich ist, abgeschoben. „Immer wieder rufen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei uns an und fragen, was sie tun können, damit ihre guten Mitarbeitenden doch noch bleiben können. Manchmal können wir weiterhelfen, oft aber eben auch nicht. Die Unsicherheit betrifft hier also nicht nur die Geflüchteten selbst. Der Duldungsstatus, also die eigentlich vorhandene Ausreisepflicht, verunsichert auch die Unternehmen, die angesichts der aktuell gleichzeitig vorhandenen Krisen mehr Stabilität brauchen“, erklärt Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrats.
Angesichts der Behördenbelastung durch die Registrierung der aus der Ukraine Geflüchteten wäre ein unkompliziertes Verlängern von Duldungen und ein Hintanstellen aufenthaltsbeendender Maßnahmen für die arbeitenden Ausreisepflichtigen, die bereits länger als 5 Jahre in Deutschland sind, eine Entlastung der kommunalen Behörden aber auch des Landesamtes.
Bis zur tatsächlichen Gesetzesänderung können sogenannte Vorgriffsregelungen dafür sorgen, dass die Menschen, die künftig bleiben dürfen, schon jetzt diese Chance erhalten. Nötig ist hierfür, dass die Innenministerien der Bundesländer die Ausländerbehörden anweisen, all jenen, die potentiell von den angekündigten Bleiberechtsregelungen profitieren, Ermessensduldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen und sie so vor Abschiebung zu schützen.
Das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland-Pfalz hat in einem Brief an die Ausländerbehörden bereits am 23. Dezember 2021 die Dringlichkeit einer zügigen gesetzlichen Umsetzung verdeutlicht. Nach diesem Schreiben würden in Rheinland-Pfalz keine Einwände gelten, wenn die Ausländerbehörden Aufenthaltsbeendigungen von Ausländerinnen, die unter dieser Regelung fallen würden, hintanstellen.
Ergänzung:
Taz vom https://taz.de/Aufenthaltstitel-fuer-Geduldete/!5838992/
Wohnort als Chance
Die Ampel will gut integrierten Geduldeten eine Bleibeperspektive bieten. Schon bevor das Gesetz in Kraft ist, handeln einige Bundesländer danach – andere nicht.
„Das Problem: Der 1. Januar 2022 ist schon längst verstrichen, das Chancen-Aufenthaltsrecht aber immer noch nicht verabschiedet. Das heißt, Menschen, die die im Koalitionsvertrag genannten Kriterien erfüllen, sind aktuell immer noch von Abschiebung bedroht. Das SPD-geführte Bundesinnenministerium bemühe sich vor diesem Hintergrund, das Vorhaben „besonders zügig“ umzusetzen, teilt eine Sprecherin auf taz-Anfrage mit. Die entsprechenden Vorarbeiten für ein Gesetzgebungsverfahren hätten bereits begonnen. Wann das Chancen-Aufenthaltsrecht voraussichtlich in Kraft treten wird, kann das Innenministerium nicht sagen.“