Der aktuell sehr problematisierende und ausgrenzende gesellschaftliche Diskurs über Geflüchtete benötigt dringend Nachrichten über gelungene Integration. Deswegen veröffentlichen wir hier gerne eine Meldung der Hansestadt Stralsund:
„Die Integration von geflüchteten Menschen braucht Zeit – gerade im Bereich der beruflichen Integration“, sagt Anja Schmuck, in Stralsund die Beauftragte für Migration und Integration. Bei einigen dauert es Jahre, bis sie in Deutschland Fuß gefasst haben und einer geregelten Arbeit nachgehen können. Bei anderen geht es jedoch schneller.
Drei Beispiele von ausländischen Arbeitnehmern in Stralsunder Betrieben zeigen, was möglich ist.
Hotelfachmann in zwei Jahren
Fadi Hanna ist schnell in Deutschland angekommen – zumindest im Arbeitsmarkt. Gerade einmal eineinhalb Jahre nach seiner Flucht, hat der 28-jährige Syrer Anfang August 2017 eine Ausbildung zum Hotelfachmann im arcona HOTEL BALTIC begonnen.
Nach den Worten seines Chefs, Marcus Borowski, macht er sich „prächtig“. „Er ist ein sehr herzlicher Mensch, sehr umgänglich, immer freundlich und sowohl bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch bei den Gästen überaus beliebt.“ Außerdem sei er sehr fleißig: so habe er in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in Deutschland schon sehr gut Deutsch gelernt und trotz verkürzter Ausbildungszeit (zwei Jahre) bereits seine Zwischenprüfung bestanden.
Nicht immer geht es so schnell. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) – der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg – dauerte es in der Vergangenheit für die Hälfte der Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 64 Jahren fünf Jahre, bis sie eine Beschäftigung gefunden hatten. Nach 15 Jahren hatten knapp 70 Prozent Arbeit. Entscheidend sind die individuellen Fähigkeiten, die mitgebrachten Erfahrungen und die verfügbaren Arbeitsplätze.
Das alles passte bei Fadi Hanna ideal zu der Ausbildung im arcona HOTEL BALTIC, denn Herr Hanna hatte in seinem Heimatland bereits in einem Hotel gearbeitet.
Horterzieher im Montessori-Kinderhaus
Ahmad Alsalehmegher ist schnell in Deutschland angekommen – er arbeitet bereits seit März 2017 als Horterzieher im Montessori-Kinderhaus im Stadtteil Grünhufe, in einer großen, integrativen Einrichtung mit Montessori-Pädagogik und Ganztagsverpflegung.
In seinem Heimatland Syrien hatte er nach dem Studium zum Grundschullehrer gerade ein Psychologiestudium begonnen, als er flüchten musste.
Zunächst absolvierte der 26-jährige in Stralsund ein sechswöchiges Praktikum im Kinderhaus, danach wollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Leiterin der Einrichtung, Christine Funke, ihn nicht mehr gehen lassen. „Unglaublich, wie schnell er Deutsch gelernt hat“, lobt sie ihren syrischen Mitarbeiter.
So ist er unentbehrlich geworden, nicht nur wegen seiner liebevollen und respektvollen Art im Umgang mit den Kindern, sondern auch wegen seiner Sprachkenntnisse: So kann er sowohl als Dolmetscher bei Elterngesprächen oder Neuaufnahmen vermitteln als auch Verträge und Aushänge ins Arabische übersetzen. Gerade im Stadtteil Grünhufe ist das enorm wichtig, denn hier wohnen viele der arabisch sprechenden Zuwanderer.
Herr Alsalehmegher musste zwar auch ein paar negative Erfahrungen im Umgang mit einigen deutschen Kindern sammeln, die ihn – den „Fremden“ – nicht akzeptieren wollten. Aber In solchen Situationen sind dann die anderen HorterzieherInnen gefragt.
Alle Kolleginnen und Kollegen stehen voll und ganz hinter ihm und unterstützen ihn sehr gerne, der junge Syrer selbst sagt zu ihnen: „Ihr seid doch jetzt meine Familie!“
Im Café die Herzen gewinnen
Sehr familiär geht es im Café „Paula“ zu: gleich zwei ausländische Mitarbeiter hat die Stralsunder Unternehmerin Heike Klatt für ihr Café eingestellt: die Syrerin Mayed Ajla, Mutter von drei Kindern und den jungen Eritreer Abraham Negash.
Beide arbeiten jeweils 20 Stunden wöchentlich bei ihr und besuchen parallel einen Deutschkurs. Besonders Frau Ajla freut sich sehr, hier einen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Ursprünglich ist sie angehende Juristin, ihr war aber es einfach wichtig, überhaupt arbeiten zu dürfen. Dadurch hätte sie das Gefühl, gebraucht zu werden und im Kontakt mit den vielen Gästen könne sie außerdem ihre Deutschkenntnisse verbessern.
„Das ist das Wichtigste für eine erfolgreiche Vermittlung von Geflüchteten in einen deutschen Betrieb: ausreichende Deutsch-Kenntnisse“, weist Anja Schmuck auf diese Bedingung für den Erfolg einer Integration hin.
Die Sprache versuchen sich beide Geflüchteten schnell anzueignen. Auch wenn sie noch vieles lernen müssen – die „normale“ Speisekarte mit Frühstück, Torten und Kleinigkeiten kennen sie schon, wenn es aber mal eine etwas „ungewöhnliche“ Bestellung gibt, wird es schwieriger… Doch die Chefin erklärt den einen oder anderen Begriff auch gerne vier oder fünf Mal, wenn es nötig ist. So manches läuft dabei dann eben mithilfe von Gestik und Körpersprache …
Wenn das Café voll ist, bedeutet das häufige Erklären natürlich schon zusätzliche Arbeit für Frau Klatt. Dennoch bereut sie ihre Entscheidung nicht, den beiden Geflüchteten eine berufliche Chance gegeben zu haben. Sie möchte sie in ihrem Café mit der Extraportion Persönlichkeit ohnehin nicht mehr missen. „Sie geben einem durch ihre freundliche und dankbare Art so viel zurück“, sagt sie lächelnd.
Die Resonanz der Gäste auf ihre internationalen Mitarbeiter ist überwiegend sehr positiv, nur manchmal bekommt Abraham Negash aufgrund seiner sehr dunklen Hautfarbe etwas befremdliche Blicke zugeworfen – doch durch seine sehr höfliche und zuvorkommende Art kann er schnell die Herzen gewinnen.
„Diese drei Beispiele Stralsunder Unternehmen, die sich der Aufgabe der beruflichen Integration von Geflüchteten gestellt haben, zeigen deutlich, was für ein beiderseitiger Gewinn dies bedeuten kann“, stellt die Migrations- und Integrationsbeauftragte der Stadt, Frau Anja-Isabelle Schmuck, fest.
Sie würde sich freuen, wenn sich noch mehr einheimische Firmen kulturell öffnen würden. Und über weitere Rückmeldungen zu den Erfahrungen mit multikulturellen Belegschaften bei Stralsunder Arbeitgebern.