Die Bundesregierung hat beschlossen, den Regelsatz für Menschen im Grundleistungsbezug nach § 3 AsylbLG im Jahr 2025 zu kürzen. Im Gegensatz zu den Leistungen nach SGB II, SGB XII und den Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sollen die Regelsätze nicht eingefroren bleiben, sondern um 13 bis 19 Euro sinken. Begründet wird dies vom Bundessozialministerium mit dem Rückgang der Inflation und formal damit, dass eine Bestandsschutzregelung für den Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG nicht vorgesehen sei. Aber Existenzminimum ist Existenzminimum, und die Menschenwürde ist auch migrationspolitisch nicht teilbar.
Die Inflation ist im Oktober wieder deutlich angestiegen. Das lag vor allem an deutlich teureren Nahrungsmitteln.
In der oben dargestellten Tabelle wird nicht nur die vierprozentige Kürzung existenzsichernder Sozialleistungen deutlich. Sie zeigt auch, dass die Schere zwischen „normalen“ Sozialleistungen und denjenigen für Geflüchtete noch weiter auseinander geht. Dafür sorgen auch noch weitere Maßnahmen:
- Verlängerung des niedrigeren Grundleistungsbezugs von 18 auf 36 Monate
- Verschärfung der Regelungen zu verpflichtenden Arbeitsgelegenheiten
- Einführung der diskriminierenden Bezahlkarte
- Geplante Leistungskürzungen für Personen, die sich in Aufnahmeeinrichtungen nicht „wohlverhalten“.
- Geplante Streichung des Kindersofortzuschlags im AsylbLG
Die Bundesregierung folgt mit diesen Maßnahmen den Forderungen der extremen Rechten und bestätigt deren Rahmensetzung im gesellschaftlichen Diskurs.
Weitere Kürzungen bis auf Null für so genannte Dublin-Fälle sind ebenfalls bereits beschlossen.
Claudius Voigt von der GGUA schreibt dazu:
Vertreibung durch Aushungern von Dublin-Geflüchteten
Die Änderung des § 1 Abs. 4 AsylbLG als Teil des völlig zu Unrecht so genannten „Sicherheitspakets“ ist am 30.10.24 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und damit heute in Kraft getreten. Was die staatlich produzierte Verelendung einer Menschengruppe auch nur im Entferntesten mit „Sicherheit“ zu tun haben soll, ist unerklärlich. Die Regelung in Kürze:
Menschen sollen nur noch für zwei Wochen Anspruch auf gekürzte AsylbLG-Leistungen (im Umgang von § 1a AsylbLG) und danach normalerweise gar keinen Anspruch mehr haben, wenn
- sie vollziehbar ausreisepflichtig sind, die Ausländerbehörde ihnen (in der Regel rechtswidrig) aber keine Duldung erteilt (leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG).
- Der Leistungsausschluss gilt daher nicht für Personen mit Aufenthaltsgestattung (leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 1a; die bisherige Kürzung nach § 1a Abs. 7 für diese Personen ist gestrichen worden).
- Und auch nicht für Personen mit Duldung (leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4). Und
- eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 31 Absatz 6 AsylG (Dublin-Bescheid) erlassen wurde und
- eine Abschiebungsanordnung gem. § 34 Abs. 1 S. 1 AsylG (nicht: Abschiebungsandrohung!) erlassen wurde und
- wenn „nach der Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich ist“ (was immer diese Feststellung genau bedeuten soll).
Nur in besonderen Härtefällen müssen nach zwei Wochen weiterhin Leistungen für das rein physische Existenzminimum erbracht werden. Normalerweise dürfen nach den zwei Wochen jedoch noch nicht einmal Unterkunft, Ernährung oder Gesundheitsversorgung sichergestellt werden. Und selbst in Härtefällen sind das gesamte soziale Existenzminimum und die Zusatzleistungen insbesondere für schutzbedürftige Personen nach § 6 AsylbLG (Hilfe zur Pflege, Leistungen der Eingliederungshilfe usw.) ausgeschlossen! Ausnahmen bestehen für die „besonderen Bedürfnisse von Kindern“.
In der Beratung sollte in allen Fällen eines Leistungsausschlusses Rechtsmittel eingelegt werden (Widerspruch, Klage und Eilantrag beim Sozialgericht). Dabei sollte auch stets auf die Härtefallregelung und die individuelle Situation eingegangen werden. Die Regelung verletzt erkennbar die Verfassung, aber auch andere Rechtsvorschriften, wie die EU-Aufnahmerichtlinie, die EU-Grundrechtecharta, die UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention, weil
- Dublin-Geflüchtete die Ausreise nicht selbst in der Hand haben,
- das soziale und physische Existenzminimum grundsätzlich zu jeder Zeit sichergestellt sein muss,
- zumindest Unterkunft, Ernährung und Hygiene auch aufgrund der EU-Grundrechtecharta niemals gestrichen werden dürfen,
- insbesondere für Kinder und andere schutzbedürftige Personen das gesamte Existenzminimum inklusive einer uneingeschränkten Gesundheitsversorgung und unabhängig von einer Härte gesichert sein muss,
- die Wohnpflicht des § 47 AsylG unabhängig von einem Leistungsanspruch gilt,
- Obdachlosigkeit auch aufgrund des Ordnungsrechts verhindert werden muss.