Pressemitteilung
Psychosoziale Versorgung Geflüchteter im Land absolut unzureichend
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommerns hat in einem Schreiben an die Integrationsbeauftragte des Landes Jana Michael darum gebeten, als schnelle Hilfe für die traumatisierten Menschen aus der Ukraine, aber auch für alle nach Mecklenburg-Vorpommern zugewiesenen Schutzsuchenden, sich dafür einzusetzen, dass schnellstmöglich Mittel zu Verfügung gestellt werden, um den Ausfall von Fördermitteln des Bundes kurzfristig zu überbrücken sowie weitere professionell aufgestellte Psychosoziale Zentren (PSZ) im Land zu fördern.
Auch nach Mecklenburg-Vorpommern kommen derzeit tausende Menschen, die durch Putins Krieg aus der Ukraine vertrieben wurden und aus ihrem vertrauten Leben gerissen wurden. Vor allem Frauen und Kinder versuchten schnellstmöglich das Land zu verlassen und begaben sich auf den körperlich und psychisch kräftezehrenden Weg. Familien wurden auseinandergerissen, ihre Zukunft ist gänzlich ungewiss. Ob sie ihre Männer, Brüder, Väter, Freunde je wiedersehen werden, vermag niemand zu sagen. Sie haben oft ihre alten Eltern mitgebracht, oft aber auch nicht. Sie haben mitangesehen, wie Verwandte, Nachbarn, Arbeitskolleg*innen getötet wurden, wie das eigene Kind starb oder blickten selbst dem Tod ins Auge. Sie wurden auf der Flucht vergewaltigt, erniedrigt oder mussten Dinge tun, die sie unter „normalen Umständen“ nie getan hätten.
Das alles hat zu enormen Verletzungen in den Seelen der Menschen geführt. Sobald sie zur Ruhe kommen, kommen alle diese Verletzungen an die Oberfläche. Wenn man abends in der Unterkunft niemanden der Zurückgelassenen telefonisch erreicht, wenn die Gedanken zu den Eltern wandern, wenn bewusstwird, was alles verloren ist, dann wird eigentlich bereits Hilfe benötigt. Aber die derzeitige Unterbringungssituation erlaubt es nicht, überallhin psychologische Betreuung zu schicken.
Was jetzt in Mecklenburg-Vorpommern besonders fehlt, ist psychosoziale Betreuung, Diagnostik und auch Therapie. Je länger damit gewartet wird, desto mehr chronifizieren sich die Traumata. Mecklenburg-Vorpommern hat derzeit zwei funktionierende, mit hauptamtlichen Kräften ausgestattete Psychosoziale Zentren (PSZ), angesiedelt beim Diakonischen Werk in Greifswald und in Rostock (Ökohaus e.V., rein ehrenamtlich organisiert). Die Stelle für psychosoziale Diagnostik und Therapie in Schwerin musste wegen der unterbrochenen AMIF-Förderung[1] aufgegeben werden, das PSZ in Güstrow (Curiates) arbeitet unter Führung der Institutsambulanz Rostock und ist nicht offiziell als PSZ gelistet. Die Stelle an der Hochschule Neubrandenburg existiert bereits seit längerem nicht mehr.
Bereits schon in den vergangenen Jahren war das Angebot für die psychosoziale Versorgung der in den vergangenen Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern zugewiesenen Asylsuchenden, die in Syrien, Afghanistan oder anderen Regionen der Welt im Prinzip dieselben Überwältigungsereignisse von Krieg, Tod, Gewalt und Folter erlebt haben, nicht angemessen. Jetzt ist es absolut nicht mehr ausreichend und untragbar.
[1] Der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) ist ein europäischer Fonds, der die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Asyl- und Migrationspolitik unterstützt. Die Mittel werden werden nach einem Ausschreibungsverfahren an Träger/Antragstellende vergeben. Für die „neue“ Förderperiode 2021-2027 warten derzeit bundesweit Träger auf eine Ausschreibung/das Interessenbekundungsverfahren. Bis Mittel fließen, kann es noch Monate dauern.