Erneut hat ein Sozialgericht entschieden, dass die Leistungskürzungen (um 10%) für alleinstehende Erwachsene in Gemeinschaftsunterkünften, die Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 (wie sie für verpartnerte/verheiratete Menschen gilt) voraussichtlich verfassungswidrig ist.
Nach den Entscheidungen des SG Landshut vom 24.10.2019 und des SG Hannover vom 20.12.2019, hat nun das SG Freiburg am 20.01.2020 in einem Beschluss über einen Eilantrag festgestellt, dass alleinstehenden Erwachsenen in Gemeinschaftsunterkünften weiterhin Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren sind. Zum einen sei die Übergangsregelung nach § 15 AsylbLG zu beachten. Nach dieser müssen Personen, die bereits vor dem 22.08.2019 Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten hatten, weiterhin Leistungen entsprechend der Regelungen nach der alten Fassung des AsylbLG (vom 05.08.1997) gewährt werden. Allein aus diesem Grund müssen sie nach Auffassung des SG Freiburg weiterhin Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 erhalten.
Entscheidend ist aber zum anderen, dass das Sozialgericht die seit dem 21.08.2019 gültige Gesetzesänderung, nach der alleinstehende Erwachsene die Leistungen lediglich nach der Regelbedarfsstufe 2 erhalten, für verfassungswidrig hält. Dabei schließt sich das SG Freiburg weitgehend auch der Argumentation des SG Landshut an, das bereits mit Beschluss vom 24.10.2019 Zweifel an der Verfassungskonformität der Leistungen nach Regelbedarfsstufe 2 für alleinstehende Erwachsene in Gemeinschaftsunterkünften formulierte. Es gäbe demnach keine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage für den geringeren Bedarf von alleinstehenden Erwachsenen, wenn sie in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. Auch fehlten „empirische Erkenntnisse dazu, dass ausgerechnet die Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber regelmäßig bereit oder überhaupt […] in der Lage wären, mit völlig fremden Personen, mit denen sie zufällig die Unterkunft bzw. deren Gemeinschaftseinrichtungen teilen, in eine derart enge Beziehung treten, dass das Wirtschaften ‚aus einem Topf‘ – wie in einer Paarbeziehung – möglich wird“. Für die vom Gesetzgeber angenommenen Synergieeffekte wäre eine weit engere wirtschaftliche Verflechtung unter den Bewohnern nötig, als z.B. bei Zweckwohngemeinschaften, Untermietverhältnissen oder Obdachlosenunterkünften, so das Gericht weiter.
Das Gericht sieht überdies den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes verletzt, u.a. wenn man die alleinstehenden Erwachsenen, die Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehen, mit den alleinstehenden erwachsenen Geflüchteten in der Gemeinschaftsunterkunft vergleicht, die Leistungen nach SGB II oder Grundsicherung im Alter erhalten, die nämlich diese in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 bekommen.
Dieser Gerichtsbeschluss ist eine weitere schallende Ohrfeige für die Bundesregierung, die ein ganz offensichtlich verfassungswidriges Gesetz durchgeboxt hat. Es wird allerhöchste Zeit, dass das AsylbLG korrigiert oder besser noch abgeschafft wird.