Pressemitteilung
01.03.2019
Flüchtlingsrat M-V fordert Nachbesserungen am Entwurf des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes
Das Gesetzgebungsverfahren zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und zur Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung steht kurz vor dem Abschluss. Im März wird im Bundestag voraussichtlich die erste Lesung stattfinden, der Bundesrat hat Empfehlungen ausgesprochen. „Leider muss immer noch konstatiert werden, dass im derzeitigen Entwurf das Potential derer, die bereits heute in Deutschland leben, mit diesem Gesetz weiter eingegrenzt werden würde.“ kommentiert Ulrike Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern.
Zwar sieht eine neu eingeführte Duldung vor, dass die Abschiebung zum Zweck der Beschäftigung ausgesetzt wird. Doch greift das neue Instrument nur für eine geringe Anzahl von gut integrierten, jedoch vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen. Kaum eine Person in Mecklenburg-Vorpommern wird es schaffen, 18 Monate vor der Erteilung beschäftigt gewesen zu sein und ein Jahr den Lebensunterhalt vollständig gesichert zu haben. „Die Erfahrungen zeigen bereits heute, dass Ausländerbehörden mit formalen Gründen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an abgelehnte Flüchtlinge verwehren.“ berichtet Seemann-Katz. „Die Forderung eines Nachweises von 12 Monaten Lebensunterhaltssicherung ist unrealistisch und überzogen. In der Realität stellen wir fest, dass viele Menschen zwar arbeiten, aber aufgrund prekärer Beschäftigung beispielsweise ihre Familienangehörigen nicht mitversorgen können.“
Beschäftigte, für die der Gesetzgeber eine Aufenthaltssicherung verweigert, drohen ihre Arbeit zu verlieren, da den Unternehmen die Situation ohne die verbindliche Zusage einer Aufenthaltsperspektive zu unsicher ist. Das ist das Gegenteil von Beschäftigungssicherung und Potentialentfaltung. „Die derzeitige Debatte wirkt sich auch negativ auf die Beschäftigung von anerkannten Flüchtlingen aus, wie Anrufe verunsicherter Arbeitgeber*innen bei unserer Hotline[1] zeigen.“, so Seemann-Katz.
Einem unkomplizierten Arbeitsmarktzugang konträr gegenüberstehend sind deswegen auch die neuen Erteilungsvoraussetzungen für die Ausbildungsduldung. Unter anderem müssen zukünftig vollziehbar Ausreisepflichtige bereits sechs Monate geduldet sein, bevor sie die Ausbildungsduldung beanspruchen können. „Sollen die Ausländerbehörden erst einmal sechs Monate lang die Abschiebung auch gut Integrierter probieren, bevor eine Ausbildung und Aufenthaltssicherung angeboten wird? Das erscheint absurd“ meint Seemann-Katz. Auf Bundesebene soll diese Praxis mit dem ‚Geordnete-Rückkehr-Gesetz‘ vereinheitlicht werden.“ Seemann-Katz gibt sich nicht optimistisch, dass viele Menschen die Sechs-Monate-Voraussetzung werden erfüllen können.
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber auf einer vollständigen Identitätsklärung beharren sollte. Geflüchtete, die ihr Herkunftsland überstürzt verlassen haben und auf gefahrvollen Wegen nach Deutschland geflohen sind, haben oft ein großes Problem, wenn es darum geht, einen neuen Pass zu besorgen. „Es muss insofern genügen, wenn alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen werden“, fordert Seemann-Katz.
Rechtlich fragwürdig ist zudem die geplante Regelung, dass künftig innerhalb von sechs Monaten nach der Einreise die Identität geklärt sein muss, um eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung erhalten zu können. Während des Asylverfahrens darf von den Betroffenen keine Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden verlangt werden, und die Mehrzahl der Asylverfahren dauert länger als sechs Monate.
Der Flüchtlingsrat M-V begrüßt dagegen Empfehlungen des Bundesrates vom 15.2.2019 zum Thema. Dieser empfiehlt beispielsweise einen „Spurwechsel“ vom Asylverfahren in einen Aufenthalt im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen.
Bereits im November 2018 veröffentlichten neun Landesflüchtlingsräte, der Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband, PRO ASYL, Teile des Bundesvorstands des DGB und weitere Verbänden und Vereinen eine umfassende Stellungnahme, siehe hier: https://www.fluechtlingsrat-mv.de/weitere-barrieren-statt-spurwechsel-kritik-am-vorgelegten-entwurf-fuer-ein-fachkraefteeinwanderungsgesetz/5119/
[1] Das IQ-Projekt „“ ist darauf ausgerichtet, Arbeitgebende bei der Einstellung von Zugewanderten zu unterstützen. Mehr Informationen und Kontakt https://www.fluechtlingsrat-mv.de/projekte/iq/