Recht auf Schutz und Respekt für Geflüchtete

Pressemitteilung

Neubrandenburg – 14.11.2017

Sechzehn Unterzeichnende fordern die Landesregierung anlässlich des bevorstehenden Internationalen Tages Gewalt gegen Frauen am 25. November dazu auf, die Lage weiblicher Geflüchteter und weiterer schutzbedürftiger Personen in den Unterkünften zu verbessern und die Hilfestrukturen für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt in unserem Bundesland zu verbessern.

Die Unterzeichnenden fordern ein Recht auf Schutz und Respekt für Geflüchtete

 

Geflüchteten Menschen Schutz und Zuflucht zu gewähren sowie das Recht auf Asyl und Bleiberecht zu bewahren, ist Teil unserer Verfassungsordnung und Auftrag für die gesamte Gesellschaft.

Rund ein Drittel der nach Deutschland Geflüchteten ist weiblich. Eine repräsentative Studie, im Auftrag der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung im März 2017 veröffentlicht, zeigt: Es mangelt an Dolmetscher*innen, Psychotherapien und Schutz vor sexuellen Übergriffen.

Je nach Herkunftsland sehen die Frauen ihre Situation laut Studie unterschiedlich.
Aber vielen ist gemeinsam:
Sie haben oft auf der Flucht und in den Herkunftsländern mit sexueller Gewalt zu kämpfen. Auch in Deutschland kommt es etlichen Befragten zufolge in den Flüchtlingsunterkünften zu sexuellen Übergriffen und Gewalt. Vor allem allein reisende Frauen sind dem oft hilflos ausgeliefert.

Ihre aktuelle Wohnsituation bezeichnet über die Hälfte der Frauen als schlecht oder sehr schlecht. Fehlende Privatsphäre, der Mangel an Rückzugsräumen, mangelnde Hygiene in Duschen und Toiletten, Lärm, Diskriminierung und ein Klima der Respektlosigkeit zerren demnach an den Nerven. Persönliche Grenzen werden überschritten, Frauen werden herablassend behandelt. Das verstärkt Traumata, die schon mitgebracht werden.

In die Kommune verteilt haben Flüchtlinge / Migrant*innen häufig keine andere Möglichkeit sich aus der Gewaltsituation zu lösen, sie sind auf das Unterstützungsangebot Frauenhaus angewiesen.

Dieses tritt vor allem ein, wenn ihr Aufenthaltstitel ungeklärt und unsicher ist. Für die meisten Frauen bedeutet der Einzug in diese Einrichtung zwar Beendigung der Gewalt, bringt aber gleichzeitig viele neue Probleme mit sich. Ihnen wird mit ihrem Ausschluss aus der Großfamilie / Community die Sicherheit genommen. Die Gemeinschaft und die Sicherheit des Frauenhauses werden entsprechend sehr unterschiedlich erlebt.

Bei der Zielgruppe Frauen in Gemeinschaftsunterkünften oder auch Geflüchtete in Frauenhäusern ist es das Ziel der Unterzeichner*innen, die spezifische Situation dieser Gruppe stärker zu berücksichtigen. Frauen und Kinder benötigen intensivere Beratung und Betreuung durch die Mitarbeiter*innen der Einrichtung.

Wir fordern deshalb von der Landesregierung:

für die betroffenen Frauen und alle verletzlichen Personen unabhängig vom Aufenthaltsstatus:

 

  • Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie (2013/33/EU), das bedeutet regelhaft die besondere Berücksichtigung vulnerabler Personen wie Frauen und Kinder, unbegleitete Minderjährige, Senior*innen, Kranke und Traumatisierte, Menschen mit Handicap, Opfer von Folter, Gewalt und Menschenhandel sowie auch Homosexuelle, Transgender (LGBTIQ). Es braucht bei Gewaltschutzprojekten mehr bedarfsgerechte Plätze, damit künftig niemand in M-V mehr abgewiesen werden muss.
  • Die Einrichtung von entsprechenden Schutzräumen in Gemeinschaftsunterkünften: Dazu ist es erforderlich die Mindeststandards in der Gemeinschaftsunterkunftsverordnung (GUVO M-V) und zur Bereitstellung entsprechenden kompetenten Personals auch die Richtlinie für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung der Bewohner*innen entsprechend zu erweitern.
  • Ein breites und vor allem kompetentes Beratungsnetzwerk für Geflüchtete und Unterstützer*innen zu Asyl- und Aufenthaltsfragen in Verbindung mit häuslicher Gewalt: Frauen müssen über ihre Rechte aufgeklärt werden.
  • Opferschutzprogramme und Abschiebeschutz für Betroffene von rechter und/oder häuslicher Gewalt, für Zwangsprostituierte und von Zwangsverheiratung bedrohter oder betroffener Menschen: Diese braucht man zum einen, wenn Polizei und Justiz Informationen zu Gewalttaten und Menschenhändlerringen haben wollen, da die Frauen als Opferzeuginnen nicht aussagen werden, um ihr Leben und das ihrer Familien nicht zu gefährden, zum anderen, um Betroffene nachhaltig zu schützen. Nicht zuletzt ist ein sicherer Aufenthalt Voraussetzung für Stabilisierung psychisch labiler Personen und deren Therapie.
  • Psychosoziale Betreuung für geflüchtete Frauen: Es gibt in M-V derzeit lediglich ein Psychosoziales Zentrum in Greifswald und eine Psychologin in Schwerin. Das ist für alle zu wenig und für frauenspezifische Belange nicht mehr darstellbar. Für akut Traumatisierte gibt es in Mecklenburg-Vorpommern elf Traumaambulanzen, die aber leider nicht für Retraumatisierte oder Menschen mit chronifizierten Traumata zugänglich sind. Landesweit fehlen muttersprachliche Therapieangebote.
  • Qualifizierte Betreuung und Förderung von Kindern von geflüchteten Frauen zur Entlastung der Mütter und der Förderung der Kinder, entweder in Einrichtungen oder durch Kinder- und Jugendberater*innen in Frauenhäusern.
  • Professionelle Beratung und Begleitung, auch nachgehend zum Frauenhausaufenthalt, um die Frauen im Umgang mit Behörden zu befähigen und selbständig werden zu lassen.
  • Unbürokratische Förderung spezieller Freizeitangebote für geflüchtete Frauen, um Isolation zu durchbrechen und Kontakte knüpfen zu können. In der Fremde eigene Netzwerke bilden zu können, ist Empowerment und erspart präventiv weitere spätere Unterstützungsbedarfe.
  • Kostenübernahme für kultursensibles Dolmetschen und Übersetzungen: Die Notwendigkeit von 1:1-Übersetzungen und Verschwiegenheit sind oft nicht bei freiwillig Engagierten bekannt. Die aus diesem Grund oft entstandenen Fehler führen zu notwendigen Folgeterminen, diese kosten weitere Ressourcen. Wenn Kinder kostenlos für ihre Eltern übersetzen, können Falsch-Übersetzungen verheerende Folgen haben, leiden Kinder an der Verantwortung, kehrt sich das Eltern-Kind-Verhältnis um. Parentifizierung ist zu verhindern.

 

für die Mitarbeiter*innen der Antigewaltarbeit und der Flüchtlingshilfe:

 

  • Mehr und bessere Fortbildung der Mitarbeitenden: Gerade in den letzten zwei Jahren haben sich rechtliche Grundlagen und Verwaltungsstrukturen oder Verwaltungshandeln nahezu im Monatsrhythmus verändert.
  • Tandemberatung ermöglichen: Oftmals sind die Probleme mehrschichtig. Nötig wäre in diesen Fällen die gemeinsame Beratung in aufenthalts-, familien- und sozialrechtlichen Fragen. Notwendig ist auch eine Aufklärung über grundrechtlich geschützte Normen und Werte. Hierzu gibt es jedoch in allen Beratungsstellen keine freien Ressourcen.
  • Mehr Personal: Begleitung zu Behörden und Ärzten erfordert Zeit. Um wirklich alle zu erreichen, die Beratung, Betreuung und/oder Begleitung nötig hätten, um den gestiegenen Aufgaben gerecht zu werden bedarf es sowohl in den dezentralen Unterbringungen und Gemeinschaftsunterkünften als auch in den Frauenhäusern und Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und Stalking mehr qualifiziertes Personal.
  • Gute und faire Arbeitsbedingungen: Begrenzung von Arbeitsbelastung, Entlastung von Nachtdiensten, tarifliche Bezahlung, Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben, Entfristung von Arbeitsverträgen.

 

Unterzeichnende:

  • Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Rostock
  • AWO Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.
  • Caritas
  • Deutscher Kinderschutzbund Landesverband M-V e.V.
  • Diakonisches Werk Mecklenburg-Vorpommern e. V.
  • Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
  • Frauen in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Mecklenburg-Vorpommern
  • LAG der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten
  • LAG Selbsthilfekontaktstellen MV
  • Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
  • Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt in M-V, CORA
  • Lobbi e.V.
  • MIGRANET-MV, Netzwerk der MSO aus Mecklenburg-Vorpommern
  • Ökohaus e.V.
  • Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V..