25 Jahre Lichtenhagen sind auch 25 Jahre des so genannten Asylkompromiss – Eine andere Politik ist gefragt.

Anlässlich des 25. Jahrestags der Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen fordert der Flüchtlingsrat M-V e.V. ein Umsteuern in der Asylpolitik im Bund und zwei konkrete Maßnahmen für Mecklenburg-Vorpommern: Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt sowie Rückkehr zur dezentralen Unterbringung.

 

Das Pogrom vom August 1992 macht immer noch fassungslos – auch weil die Parteien vor den Rechtsextremisten politisch einknickten. Aus Sicht des Flüchtlingsrates kann sich das jederzeit wiederholen. Heutzutage ist rechte Gewalt im Alltag präsent. Die Politik muss daher unbedingt einen anderen Weg als 1992 einschlagen.

Es braucht ein starkes Signal der Solidarität: Bleiberecht für die Opfer rassistischer Gewalt.

Was war 1992?

Im August konnten Rechtsextreme tagelang ungehindert Flüchtlinge und  ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter*innen angreifen. Nachbarn konnten ungehindert Beifall klatschen und aufstacheln.

Am 6. Dezember 1992 einigten sich CDU/CSU, FDP und SPD darauf, das Asylgrundrecht zu ändern. Die Einschränkung des deutschen Asylrechts ging einher mit dem Versprechen, ein europäisches Asylsystem zu schaffen. Dieses wurde bis heute nicht eingelöst.

 

Das Verhandlungsergebnis vom 06.12.1992 im Wortlaut.

„Dies ist ein Sieg der Straße und eine Niederlage des Rechtsstaates!“, so kommentierte PRO ASYL damals die Gesetzesänderung.

Und 2017?

Wir begehen den 25. Jahrestag nach einem Jahr, in dem es die stärksten Asylrechtsverschärfungen seit 1992 gegeben hat. Immer noch macht die Verteilung der Geflüchteten in Europa Sorgen, immer noch gibt es Diskussionen über notwendige Begrenzungen der Zuwanderung, wie im Papier des so genannten Asylkompromisses. Keine der Maßnahmen jedoch wird helfen menschliches Leid zu verhindern. Weiterhin sterben tausende im Meer, in den Wüsten der Welt  oder an den Grenzen der Industrieländer.

In Deutschland wiederum vergeht 2017 kein Tag ohne rechtsextrem oder ausländerfeindlich motivierte Übergriffe gegen Heime oder direkt gegen Geflüchtete, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken aufzeigt. Es sind mehr als fünf angezeigte Straftaten täglich. Wie hoch die Dunkelziffer ist, ist nicht zu sagen.

Es entsteht eine verhängnisvolle Spirale: Jede gesetzliche Ausgrenzung ist eine Bestätigung der Notwendigkeit der Ausgrenzung. Jede strukturelle Gewalt bestätigt reale Gewalt. Jede tatsächliche Ausgrenzung und Gewalt betätigt die Entscheider*innen in Politik und Verwaltung, verschärfend gesetzgeberisch tätig werden zu müssen. Die Folgen sind ein nicht wiederzuerkennendes Asylrecht in Deutschland, der Abbau von Menschen- und Freiheitsrechten und die Angst, dass sich Lichtenhagen wiederholen könne.

Zwei Maßnahmen für M-V als Lehre aus Lichtenhagen:

Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten

Die Bundesländer Brandenburg und Berlin schieben Asylbewerber, die Opfer rechter Gewalt geworden sind, nicht mehr ab. Diesem guten Beispiel sollte auch Mecklenburg-Vorpommern folgen. Mit dem Bleiberecht könnten die Opfer eine Wiedergutmachung erfahren. Im Gegenteil, ihnen würde damit Sicherheit und Schutz geboten werden. Es gibt ein öffentliches Interesse daran, Tätern klarzumachen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt und das Gegenteil dessen erreicht wird, was die Täter beabsichtigt haben.

Dezentrale Unterbringung ohne hohe Zäune

Die Unterbringung in großen Unterkünften, wie sie seit diesem Jahr wieder vorrangig vorgenommen wird, hinter großen Zäunen ist nicht nur bildlich gesehen Ausgrenzung. Zumeist befinden sich die Heime am Rande von Ortschaften, hinter Gewerbegebieten, Friedhöfen usw., weil bei der Planung solcher Heime hier die geringsten Widerstände zu erwarten sind, ggf. freie Flächen zur Verfügung stehen usw.

Solche abgegrenzten Areale nähren Vorurteile. Die Zäune, die auch infolge der Ereignisse von Lichtenhagen zum Schutz der Geflüchteten hochgezogen wurden, werden so zur Nahrungsquelle von Fremdenangst und in seiner Steigerung von Hass und Gewalt. Die Unterbringung in Wohnungen der Nachbarschaft hingegen lässt Menschen als Menschen kennenlernen, integriert und schützt.