PM: Das Integrationsgesetz ist Etikettenschwindel

Der Landesflüchtlingsrat MV e.V. bewertet das am Wochenende in Kraft getretene Integrationsgesetz.

Das Gesetz ist ein Etikettenschwindel. Es verspricht Integration und wird das Gegenteil bewirken. Die im Integrationsgesetz formulierten Maßnahmen erschweren die Integration und verschärfen das Asyl- und Aufenthaltsrecht.

Wenn sich derzeit die Politiker*innen der großen Koalition im Wahlkampf im Eigenlob auf die Schulter klopfen, so ist das aus Sicht des Flüchtlingsrates MV e.V. als Desinformation zu bezeichnen. Beispielhaft kritisiert der Flüchtlingsrat insbesondere folgende drei Maßnahmen.

Wegfall der Vorrangprüfung am Arbeitsmarkt: Dieser eigentlich begrüßenswerte Wegfall trifft aber gar nicht auf unser Bundesland zu. Es gilt nur für in der Anlage zum Integrationsgesetz aufgeführte Bezirke der Bundesagentur für Arbeit. Keiner der fünf Bezirke in Mecklenburg-Vorpommern steht auf dieser Liste. In Mecklenburg-Vorpommern wird es also weiterhin die Vorrangprüfung am Arbeitsmarkt geben, können also umgekehrt Arbeitgeber weiterhin kein Personal finden bzw. Praktikant*innen im Asylverfahren nicht einstellen, auch wenn sie noch so gut in den Betrieb passen würden. Weiterhin wird die ZAV in Duisburg entscheiden. Arbeitgeber*innen empfinden diese Vorrangprüfungen im Übrigen als bürokratische Hürde und vermeiden deswegen leider oft schon die Antragstellung.

Die Verpflichtung zur Ausübung von 80-Cent-Jobs wird Flüchtlinge prekarisieren ohne ihnen echte Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen. Letztlich werden damit wie bislang auch schon Geflüchtete damit beschäftigt, in Gemeinschaftsunterkünften Sanitäranlagen und Gemeinschaftsküchen zu schrubben, Flure und Treppenhäuser zu putzen sowie die Anlagen zu pflegen, Laub zu harken und Schnee zu fegen. Die Erledigung dieser Arbeiten ist ohne Zweifel nötig, führt aber jetzt nicht plötzlich zu besserer Integration in den ersten Arbeitsmarkt, sondern hält ab sofort mehr Menschen ruhig.

Mögliche Leistungskürzungen: Asylsuchenden soll ihr Anspruch auf ein soziokulturelles Existenzminimum beschnitten werden, wenn sie sich weigern, die angeordneten 80-Cent-Jobs auszuführen oder an einem Integrationskurs teilzunehmen. Zugleich sollen Asylsuchende zu Integrationskursen verpflichtet werden. Die Regelung ist vor dem Hintergrund absurd, dass bislang zu wenige Integrationskurse in Mecklenburg-Vorpommern angeboten werden können und beispielsweise Afghan*innen und Ukrainer*innen explizit von der Teilnahme an diesen Kursen ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber schürt Ressentiments, dass Asylsuchende „integrationsunwillig“ seien – obwohl Asylsuchende gerade Integrationskurse besuchen wollen und es rechtlich wie faktisch nicht können. Integration als zweiseitiger Prozess wird damit gefährdet, weil die Mehrheitsbevölkerung aus Fremdenangst Barrieren errichtet.

Was eigentlich notwendig wäre, wird mit diesem Gesetz nicht geschaffen: Dezentrale Unterbringung, Altfallregelungen, Integrationskurse für alle, kritisiert der Flüchtlingsrat. Das Integrationsgesetz ist kein Schritt in die Richtung einer modernen Einwanderungsgesellschaft, sondern fällt meilenweit hinter wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse zurück.

Unklar ist bis heute, wie das Land Mecklenburg-Vorpommern die Wohnsitzauflage (auch rückwirkend) erteilen will, weil es noch keine Umsetzungshinweise für die Ausländerbehörden gibt. Der Flüchtlingsrat fordert hier integrationshemmende Umsetzung und unnötige bürokratische Hürden zu vermeiden, die einerseits die Geflüchteten in der Mobilität am Arbeitsmarkt einschränken, andererseits überlastete Ausländerbehörden zusätzlich fordern.

Die Wartezeiten in Sachen Aufenthaltsdokumente, Arbeitsmarktzugang und Umzugsgenehmigungen betragen derzeit häufig schon mehrere Monate. Das ist weder menschen- noch wirtschaftsfreundlich. Besser wären beispielsweise die Mittel für die 80-Cent-Jobs bei Förderung einstellungswilliger Unternehmen oder bei der Berufsausbildungsbeihilfe für Menschen im Asylverfahren angelegt.